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Die Zuweisung der ehelichen Liegenschaft bei Trennung

  • jalezinser
  • 2. Apr.
  • 3 Min. Lesezeit

Die Zuweisung der ehelichen Liegenschaft im Rahmen einer Trennung ist eine der zentralen rechtlichen Fragestellungen, die sich für viele Paare stellt. Die Frage, wer in der gemeinsamen Wohnung oder im gemeinsamen Haus bleiben darf, kann zu erheblichen Konflikten führen und hat sowohl rechtliche als auch emotionale Aspekte. Doch was passiert, wenn die Ehegatten sich nicht einig sind? Welche Faktoren spielen bei gerichtlicher Entscheidung eine Rolle?


Zwei Menschen die einen Schlüssel übergeben.

Was ist gemeint mit der ehelichen Wohnung und welche rechtlichen Grundlagen gelten in der Schweiz?


Die Begriffe der "Familienwohnung", der "ehelichen Wohnung" und der "ehelichen Liegenschaft" beziehen sich auf den Hauptwohnsitz, den die Ehegatten während ihrer Ehe gemeinsam genutzt haben. Dabei handelt es sich weder um eine Zweitwohnung noch um eine Ferienwohnung. Wichtig zu beachten ist, dass diese rechtlichen Regelungen ausschliesslich für verheiratete Paare und eingetragene Partnerschaften gelten - für Konkubinatspaare finden sie keine Anwendung.


Im Rahmen eines Eheschutzverfahrens kann das Gericht nach Art. 176 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB einem der Ehegatten die eheliche Wohnung zur alleinigen Nutzung zuweisen, wenn die Trennung erfolgt ist oder unmittelbar bevorsteht. Dies dient dem Schutz der wirtschaftlich oder familiär schwächeren Partei, z.B. zur Wahrung der Kontinuität für gemeinsame Kinder oder zur Vermeidung einer Wohnsituation, die das Konfliktpotenzial erhöht.


Das Gericht berücksichtigt dabei die konkreten Lebensverhältnisse, das Kindeswohl sowie die finanziellen und persönlichen Umstände beider Ehegatten. Die Zuweisung kann unabhängig von Eigentums- oder Mietverhältnissen erfolgen und hat unmittelbare Wirkung auf die Nutzung, nicht jedoch auf das Eigentum oder die vertragliche Mietpartei.


Auch im Rahmen der Scheidung enthält das Schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) verschiedene Regelungen zur Zuweisung der ehelichen Wohnung:


  • Mietwohnung: Das Gericht kann gemäss Art. 121 Abs. 1 und 2 ZGB den Mietvertrag auf einen der Ehegatten übertragen, falls wichtige Gründe vorliegen.

  • Eigentum eines Ehegatten: Falls die Wohnung im Alleineigentum eines Ehegatten steht, kann dem anderen nach Art. 121 Abs. 3 ZGB ein befristetes Wohnrecht gewährt werden.

  • Miteigentum: Wenn beide Ehegatten als Miteigentümer oder Gesamteigentümer eingetragen sind, gelten Regelungen des Güterrechts (Art. 205 Abs. 2 ZGB, Art. 244 Abs. 3 ZGB und Art. 251 ZGB).

  • Schutz gegen Kündigung: Ein Vermieter kann eine Scheidung nicht als alleinigen Kündigungsgrund anführen (Art. 271a Abs. 1 lit f. OR).


Einvernehmliche Einigung vs. gerichtliche Zuweisung


Am einfachsten ist es, wenn sich die Ehegatten einvernehmlich einigen. In diesem Fall genehmigt das Gericht die Vereinbarung in der Regel ohne weitere Prüfung. Falls keine Einigung erzielt wird, entscheidet das Gericht über die Zuweisung der Wohnung. Dabei erfolgt eine Interessenabwägung, die sich an bestimmten Kriterien orientiert.


  1. Konkrete Bedürfnisse der Ehegatten und des Kindes:


  • Das Interesse des Kindes, im gewohnten Umfeld zu bleiben.

  • Das berufliche Interesse eines Ehegatten der seinen Beruf beispielsweise in der ehelichen Wohnung ausübt.

  • Das gesundheitliche Interesse eines Ehegatten, insbesondere wenn die Wohnung speziell an seinen Gesundheitszustand angepasst wurde.


  1. Zumutbarkeit eines Umzugs:


  • Falls keine konkreten Bedürfnisse festgestellt werden, wird geprüft, welcher Ehegatte unter Berücksichtigung aller Umstände eher umziehen kann.

  • Faktoren wie Gesundheitszustand, Alter oder eine starke emotionale Bindung an die Wohnung spielen dabei eine Rolle

  • Wirtschaftliche Erwägungen sind grundsätzlich nicht ausschlaggebend, ausser die finanziellen Ressourcen reichen nicht aus, um die Wohnung zu bezahlen.


  1. Eigentumsverhältnisse


    • Falls weder die Bedürfnisse noch die Zumutbarkeit eine klare Entscheidung ermöglichen, wird die eheliche Wohnung in der Regel demjenigen zugewiesen, der Eigentümer oder Nutzungsberechtigter ist.



Neue Rechtsprechung: BGE 5A_934/2023


Das Bundesgericht hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, dass der blosse Auszug eines Ehegatten nicht automatisch als Verzicht auf die eheliche Wohnung gewertet werden kann. Konkret handelt es sich im Urteil um ein Eheschutzverfahren, in welchem eine Liegenschaft, die dem Ehemann trotz seines vorherigen Auszugs zugewiesen wurde. Das Gericht betonte:


  • Ein endgültiger Verlust des ehelichen Charakters tritt nur ein, wenn ein Ehegatte die Wohnung verlässt und kein weiteres Interesse daran zeigt.

  • Der Ehegatte, der den Verlust des ehelichen Status der Wohnung behauptet, trägt die Beweislast.


Das Urteil stärkt den Schutz von Ehegatten, die aus schwerwiegenden Gründen (z.B. Gewalt oder gesundheitliche Probleme) die eheliche Wohnung verlassen mussten. Der Entscheid unterstreicht, dass ein vorübergehender Auszug nicht vorschnell als endgültiger Verzicht gewertet werden darf - insbesonder dann nicht, wenn Schutzbedürftigkeit oder familiäre Umstände vorliegen.

Wichtig: Es handelt sich dabei nicht um ein Scheidungsverfahren, sondern um ein sogenanntes Eheschutzverfahren. Dieses dient dem Schutz der ehelichen Gemeinschaft vor einer allfälligen Scheidung, insbesondere bei getrenntem Wohnen. Der Entscheid betrifft also nicht die güterrechtliche Auseinandersetzung im Rahmen einer Scheidung, sondern die Zuweisung der Ehewohnung während des Getrenntlebens.



Fazit


Die Zuweisung der ehelichen Wohnung nach einer Trennung ist eine komplexe Frage, die persönliche, wirtschaftliche und rechtliche Aspekte miteinander verbindet. Während eine einvernehmliche Einigung den Prozess erleichtert, müssen Gerichte in streitigen Fällen eine detaillierte Interessenabwägung vornehmen. Die aktuelle Rechtsprechung schafft hierbei mehr Klarheit und stärkt die Rechte von Ehegatten, die nach einer Trennung weiterhin auf die Wohnung angewiesen sind. Falls Sie weiter Fragen haben oder eine individuelle Beratung wünschen, stehe ich Ihnen gerne für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.


 
 
Alexandra Bär - Rechtsanwältin
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