Trennung: Wie sage ich es meinem Kind?
Interview mit Nina Trepp*, www.beratungen-bern.ch
Alexandra Bär: Wann ist der erste Moment, in dem das Kind/die Kinder mitbekommen sollten, dass etwas nicht stimmt in der Elternbeziehung und möglicherweise eine Trennung bevorsteht?
Nina Trepp: Sobald die Mutter oder der Vater merkt, dass er oder sie sich nicht mehr wohl fühlt oder es ihr oder ihm nicht gut geht, sollte dies den Kindern grundsätzlich mitgeteilt werden. Dabei kann den Kindern in diesem Moment die Befindlichkeit mitgeteilt werden.
Der erste Schritt ist sodann, bei sich selbst zu überprüfen, was los ist. Danach kann dies dem Partner/der Partnerin kommuniziert werden. So kann ein Austausch auf Paarebene stattfinden, wie es weitergehen soll. Zu diesem Zeitpunkt kann mit Paarberatung sehr viel erreicht werden. Dabei ist wichtig zu betonen, dass jede Familie sehr individuell ist. Ab dem Moment, ab welchem der Austausch auf der Paarebene stattgefunden hat, dass etwas nicht mehr stimmt, kann davon ausgegangen werden, dass auch die Kinder es mitbekommen. Ab diesem Moment besteht das Risiko, dass die Kinder die Problematik auf sich beziehen, wenn nicht richtig kommuniziert wird. Kindern soll daher idealerweise von Anfang des Trennungsprozesses an mitgeteilt werden, dass zwischen den Elternteilen etwas ist, was nichts mit dem Kind zu tun hat. Dabei sollen die Kinder jederzeit die Möglichkeit haben, bei Fragen auf die Eltern zukommen zu können.
A: Wie verhält es sich denn bei einer eher strittigen Trennung, wann und wie sollte eine Trennung dann den Kindern mitgeteilt werden?
N: Grundsätzlich ist es für die Kinder nicht wichtig, worum es inhaltlich geht. Was hingegen für die Kinder sehr wichtig ist, ist, dass sie miterleben können, dass ein Prozess im Gange ist. Wenn die Kinder vor vollendete Tatsachen gestellt werden, kann dies zu einem Schock führen.
A: Warum ist es so wichtig, dass die Kinder bereits so früh miteinbezogen werden sollten?
N: Für Kinder ist es wichtig, den Prozess mitzuerleben, damit sie sich mental darauf vorbereiten können, was kommt. Dabei geht es darum, dass die Vorhersehbarkeit für das Kind so gut wie möglich gewährleistet ist. Zudem hilft das frühe Miteinbeziehen der Kinder, dass sie von Anfang an klar wissen, dass die Trennung nichts mit ihnen zu tun hat. Sinnbildlich würde ansonsten ein Stausee entstehen, der unerwarteterweise plötzlich bricht.
Wenn die Kinder hingegen von Anfang an über die Trennung wissen, so nehmen sie wahr, dass es in der Paarbeziehung nicht mehr gut funktioniert. Auf diese Weise ist es für das Kind die logische Konsequenz, dass sich die Liebesbeziehung langsam auflöst und dass die Trennung nichts mit ihnen zu tun hat. Das Kind soll wissen, dass die Trennung nicht seine Schuld ist. Wenn die Trennung für das Kind logisch ist und es diese nachvollziehen kann, bleibt seine Integrität eher intakt.
A: Auf welche Weise sollte den Kindern mitgeteilt werden, dass man sich trennt?
N: Bei kleinen Kindern ist es empfehlenswert Figuren, Puppen, Autos oder Klötze zur Hilfe zu nehmen. Damit kann man die ganze Paargeschichte ab dem Kennenlernen abstrakt durchspielen. Dies kann dann so beginnen, dass die Figuren sich kennenlernen, sich verlieben und küssen. Aus der Liebe entstehen die Kinder. Danach sind gewisse Sachen passiert, die dazu geführt haben, dass sich die Elternfiguren nicht mehr lieben und sich nicht mehr küssen. An diesem Punkt der Geschichte kann man einbringen, dass sich die Elternfiguren nicht mehr lieben und sich entschieden haben, sich zu trennen. Für die Kinder ist es wichtig zu wissen, dass die Eltern dies gemeinsam entschieden haben und weiterhin als Eltern gemeinsam für die Kinder da sind.
Bei etwas grösseren Kindern kann ihnen dies ohne Figuren mit Worten auf einfache Art erklärt werden. Dabei wird empfohlen ebenfalls die verschiedenen Stadien der Beziehung durchzugehen mit Kennenlernen, allenfalls Heirat, Kinder zur Welt bringen sowie dem Ende der Paarbeziehung. Wichtig ist auch hier zu betonen, dass sich nur die Paarbeziehung auflöst, nicht aber die Elternbeziehung. In anderen Worten soll betont werden, dass Mami und Papi weiterhin als Eltern für die Kinder da sind, jedoch ohne weiterhin ein Paar zu sein.
Dies kann im Rahmen der Familienkonferenz kommuniziert werden. Falls bisher noch keine Familienkonferenz eingeführt wurde, wäre dies eine gute Gelegenheit, diese einzuführen, um eine gute Kommunikation in der Familie zu gewährleisten.
Bei diesem grossen Schritt kann es auch sehr hilfreich sein, ein Setting mit einer Paarberaterin zu organisieren, um fachliche Unterstützung zu erhalten.
A: Was ist eine Familienkonferenz und wie funktioniert diese?
N: Bei der Familienkonferenz geht es darum, dass man wöchentlich oder alle zwei Wochen als Familie zusammenfindet, um sich auszutauschen. Die Familienkonferenz ist vergleichbar mit einer Teamsitzung in einer Firma, wo es ebenfalls darum geht, als Team ein Gefäss für den Austausch zu haben. Als Einstieg in die Konferenz kann jeder mitteilen, wie er oder sie sich fühlt. Anschliessend kann sich beispielsweise jede Person dazu äussern, was ihr in der vergangenen Woche gefallen hat, Ideen für die kommende Woche einbringen und spezifische Anliegen vorbringen. Dabei gibt es diverse Möglichkeiten der konkreten Ausgestaltung der Familienkonferenz.
A: Wie sieht es aus, wenn es zum Auszug des einen Elternteils kommt – wie sollte der Auszug den Kindern kommuniziert werden?
N: Auch bei diesem Thema geht es darum, dass die Kinder den ganzen Prozess miterleben können. Bei kleinen Kindern kann wiederum sehr spielerisch kommuniziert werden. Beispielsweise kann man zusammen mit dem Kind im Sandkasten zwei Häuser bauen und das zukünftig gelebte Betreuungsmodell aufzeigen. Dabei empfiehlt es sich, möglichst im Detail zu erklären, wer wo wohnen wird und wer das Kind wann, wo und wie betreuen wird.
Bei grösseren Kindern kann das Thema des Umzuges in Worten mitgeteilt werden. Zudem ist es wichtig, das Kind zu fragen, was ihm wichtig ist und was es braucht, damit es Raum erhält, seine Bedürfnisse mitzuteilen. Wichtig ist hier aber anzumerken, dass die Eltern und nicht das Kind über das künftig gelebte Modell entscheiden. Die Frage, wie oft das Kind zum einen oder anderen Elternteil möchte, soll dem Kind nicht gestellt werden, da das Kind damit überfordert wäre. Das von den Eltern gewählte Obhuts- oder Betreuungsmodell soll dem Kind sodann ebenfalls möglichst genau erklärt werden. Für das Kind ist es vor allem wichtig zu wissen, dass beide Elternteile weiterhin da sind für das Kind (unabhängig, wie oft).
A: Wie sollte man auf die Reaktion des Kindes auf die Trennung am besten eingehen, wenn es sehr traurig reagiert?
N: Grundsätzlich gilt während der Trennungszeit bezüglich Kommunikation mit den Kindern dasselbe, wie im Alltag. Wichtig ist aktives Zuhören. Die Kinder sollen gesehen, gehört und ernst genommen werden. In anderen Worten soll die Reaktion des Kindes gesehen und ernst genommen werden. Wenn das Kind beispielsweise weint und traurig ist, kann man die Trauer benennen und anerkennen. Dabei kann man sich als Elternteil dahingehend äussern, dass die Situation auch für einen selbst herausfordernd ist, dass man aber weiss, dass man es schaffen wird. Zudem empfiehlt es sich immer wieder zu erwähnen, dass man für das Kind da ist. Das Kind soll Sicherheit und Vertrauen erhalten, dass die Situation sich positiv entwickelt und dass es sich jederzeit Unterstützung bei den Eltern holen kann.
A: Und wie kann man das Kind unterstützen, wenn es sehr wütend auf die Trennung reagiert?
N: Auch in dieser Situation ist es wichtig, dass das Kind gesehen wird. So kann man dem Kind beispielsweise sagen: «Ja, ich sehe deine unglaubliche Wut. Es ist ok, wenn du wütend bist. Du darfst schlecht gelaunt sein. Auch ich bin wütend auf die Situation. Auch ich hätte es lieber anders. Auch ich finde die Situation anstrengend. Ich weiss aber, dass es gut kommen wird.»
A: Wie sollte der Schule/ dem Kindergarten/ dem Hort gegenüber kommuniziert werden in Bezug auf die Trennung?
N: Zu empfehlen ist eine möglichst offene Kommunikation mit den Bezugspersonen aus Kindergarten, Schule, Kita, etc. Wichtig dabei ist mitzuteilen, dass das Kind vorübergehend ein anderes Verhalten zeigen könnte, weil man sich als Paar getrennt hat. Auch andere wichtige Bezugspersonen der Kinder sollen ruhig informiert werden, damit sie das allfällig andersartige Verhalten des Kindes während der Trennungsphase einordnen können und das Kind bestmöglich unterstützt werden kann.
A: Wie sehr sollten die Kinder in die Umsetzung des Auszuges des einen Elternteils miteinbezogen werden?
N: Idealerweise wird vor dem Auszug anlässlich einer Familienkonferenz zusammen besprochen, wer welche Bedürfnisse in Bezug auf den bevorstehenden Auszug hat.
Für den Auszug an sich ist es wichtig, dass die Kinder möglichst miteinbezogen werden. So kann man die Kinder spielerisch beim Packen und beim Zügeln einbeziehen, gemeinsam das neue Zimmer einrichten und sie mitgestalten lassen. Die Kinder sollen den ganzen Prozess miterleben dürfen. Auch Konflikte sollen sie erleben dürfen. Es ist für Kinder wichtig zu verstehen, wie die Eltern ticken und wem was wichtig ist. So können die Kinder Situationen natürlich verstehen. Dabei geht es erneut um die Voraussehbarkeit und die Nachvollziehbarkeit.
A: Was ist für die Kinder im Hinblick auf die ersten Übergaben zwischen den Eltern wichtig?
N: Vorab ist anzumerken, dass Übergaben zwischen den Eltern für die Kinder unglaublich herausfordernd sind. Genau aus diesem Grund ist das sogenannte Nestmodell für die Kinder am einfachsten. Beim Nestmodell wohnen die Kinder fest an einem Ort und die Eltern wechseln für die Betreuung abwechslungsweise zum Wohnort der Kinder. Auf diese Weise wird das Kind nicht immer wieder von neuem aus der Situation herausgerissen.
Grundsätzlich ist wichtig, sich als Eltern bewusst zu machen, dass man den Kindern beim Wechsel sehr viel zumutet und versteht, dass jeder Wechsel sehr schwierig ist. Auch hier ist wiederum wichtig, dem Kind aktiv zuzuhören.
Beim Nestmodell und grundsätzlich auch sonst, ist es für die Kinder wichtig, Klarheit darüber zu haben, dass die Eltern nicht mehr zusammenkommen werden. Dies wirkt entlastend und entspannend für die Kinder, damit sie nicht versuchen, Verantwortung für eine Wiedervereinigung zu übernehmen. Wenn noch unklar ist, ob man wieder zusammenkommt, soll dies ebenfalls ehrlich kommuniziert werden.
A: Wie können Übergaben für die Kinder erleichtert werden?
N: Neben dem Bewusstsein, dass Übergaben für die Kinder enorm schwierig sind sowie dem aktiven Zuhören, kann Hilfe durch eine Drittperson sehr hilfreich sein. So können beispielsweise die Grosseltern oder Gotte/Götti die Übergaben für eine gewisse Zeit übernehmen. Wichtig ist auch hier, dass klar kommuniziert wird, weshalb der jeweilige Elternteil Hilfe für die Übergaben in Anspruch nimmt.
A: Wie lange dauert es ungefähr, bis sich alles eingependelt hat nach einer Trennung?
N: Dies ist sehr individuell. Im Durchschnitt dauert die Trauerphase bei Erwachsenen rund ein Jahr. Bei Kindern wiederum kann die Verarbeitung der Trennung der Eltern von drei bis zu fünf Jahre dauern. Wichtig ist auch zu erwähnen, dass Kinder von einer Trennung bei guter Kommunikation grundsätzlich keinen Schaden davontragen, sie ist einfach sehr anstrengend für Kinder.
A: Ist es empfehlenswert sich den Kindern zuliebe nicht zu trennen und zusammen zu bleiben?
N: Es ist kein Grund sich wegen den Kindern nicht zu trennen, es sei denn, es gibt effektiv noch Chancen, einen gemeinsamen Weg zu finden. Der Umgang der Eltern miteinander und deren Beziehung prägt das Weltbild des Kindes. Wenn man sich lediglich auseinandergelebt hat und sich punkto allfälliger Trennung unsicher ist, empfiehlt es sich zusammen eine Paarberatung zu besuchen. Im Setting einer Paarberatung ist unglaublich viel möglich.
Vielen herzlichen Dank an Nina Trepp für diese wichtigen Einblicke!
*Nina Trepp, Dipl. Körperzentrierte Psychologische Beraterin IKP, Bachelor of Science in Sozialer Arbeit, Familylab Elterngruppenleiterin, Artgerecht Coach, Dipl. Meditationslehrerin
Nina bietet Familienberatung, Paarberatung, psychologische Beratung, Elternkurse, Workshops und Meditationen in Bern und Referate in Institutionen an. Weitere Informationen finden Sie unter: www.beratungen-bern.ch