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Überschussverteilung bei alternierender Obhut: Neue Klarstellungen durch das Bundesgericht

Die finanziellen Aspekte der Kinderbetreuung bei einer Trennung oder Scheidung stellen Eltern oft vor grosse Herausforderungen, insbesondere wenn die Betreuung im Modell der alternierenden Obhut erfolgt. Ein jüngster Entscheid des Bundesgerichts (5A_330/2022) bringt wichtige Klarstellungen zur Frage der Überschussverteilung.


Im Urteil ging es um die Verteilung der finanziellen Lasten bei alternierender Obhut, wenn die Eltern unterschiedliche Einkommen haben. Das Gericht hat konkretisiert, wie der Überschuss zwischen den Eltern aufzuteilen ist. Diese Entscheidung hat sowohl praktische als auch rechtliche Bedeutung, da sie bestehende Unsicherheiten in der Unterhaltsberechnung beseitigt.



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Was ist die Überschussverteilung?


Die Überschussverteilung ist ein zentraler Begriff im Unterhaltsrecht, der regelt, wie das verbleibende Einkommen nach Deckung des Bedarf aufgeteilt wird. Zunächst wird der Bedarf des Kindes sowie jener der Eltern berechnet. Dieser umfasst den Grundbetrag, die Wohnkosten, allfällige Kosten für auswärtige Verpflegung, allfällige Kosten für den Arbeitsweg, Kosten für die Krankenkasse, Fremdbetreuungskosten, etc. Der Betrag, der nach Abzug dieser Kosten vom Einkommen noch übrig bleibt, wird als Überschuss bezeichnet.


Die Überschussverteilung dient dazu, finanzielle Gerechtigkeit zu schaffen, insbesondere wenn die Einkommensverhältnisse der Eltern unterschiedlich sind. Ziel ist es, dass das Kind in beiden Haushalten ein möglichst ähnliches Lebensniveau geniessen kann.



Die Kernaussagen des Urteils


Das Bundesgericht bestätigte zunächst, dass bei alternierender Obhut grundsätzlich beide Elternteile für den Unterhalt des Kindes verantwortlich sind. Doch auch bei einer nahezu gleichmässigen Betreuungsaufteilung dürfen die finanziellen Unterschiede zwischen den Eltern nicht ignoriert werden.


Das Bundesgericht stellte klar, dass auch bei alternierender Obhut mit gleichen Betreuungsanteilen jedem Elternteil die Hälfte des auf das Kind fallenden Überschussanteil zusteht. Zwar fokussiert das Bundesgericht für diese Regelung auf die Betreuungsanteile, jedoch ist dies nicht das einzige Kriterium.


Darüber hinaus ist ebenfalls von Relevanz, welcher Elternteil im Alltag welche Auslagen des Kindes übernimmt, welche aus dem Überschuss zu begleichen sind. Falls ein Elternteil diese Auslage alleine trägt, ist dies bei der Überschussverteilung entsprechend zu berücksichtigen.



Was bedeutet das für betroffene Eltern?


Mit diesem Entscheid hat das Bundesgericht einen wichtigen Beitrag zur Klarheit geleistet. Eltern, die sich die Betreuung ihrer Kinder im Rahmen der alternierenden Obhut teilen, müssen sich bewusst sein, dass die finanzielle Verantwortung nicht allein durch die Betreuungszeit bestimmt wird. Vielmehr spielt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auch bei der alternierenden Obhut eine wichtige Rolle.


Konkret bedeutet dies:


  • Ein höherer finanzieller Beitrag für das finanziell stärkere Elternteil: Wenn ein Elternteil ein deutlich höheres Einkommen hat, wird diese Person auch bei alternierender Obhut stärker zur Deckung des kindesbezogenen Bedarfs herangezogen.


  • Kein automatischer 50/50-Ansatz: Selbst bei gleichmässiger Betreuungszeit ist eine hälftige Teilung der Kosten nicht zwingend fair oder angemessen. Die Verhältnisse müssen im Einzelfall geprüft werden.


  • Auslagen, die aus dem Überschuss beglichen werden: Bei der Unterhaltsregelung spielt es auch eine Rolle, welches Elternteil welche Auslagen des Kindes übernimmt, insbesondere bei Auslagen, die aus dem Überschuss zu begleichen sind, wie beispielsweise Hobbies. Falls ein Elternteil diese Auslagen alleine trägt, ist dies bei der Überschussverteilung entsprechend zu berücksichtigen.



Ein Schritt zu mehr Gerechtigkeit


Das Urteil zeigt, dass die alternierende Obhut auch finanzielle Solidarität erfordert. Es geht nicht nur darum, die Zeit mit den Kindern aufzuteilen, sondern auch um die Sicherstellung, dass beide Haushalte gleichermassen in der Lage sind, die finanziellen Bedürfnisse der Kinder zu abzudecken.


Mit diesem neuen Bundesgerichtsentscheid wird die rechtliche Basis der alternierenden Obhut um eine wichtige Komponente ergänzt - ein Schritt hin zu mehr Fairness und Klarheit im Familienrecht. Bei allfälligen Unklarheiten, Anliegen und Fragen können Sie mich sehr gerne kontaktieren. Wenn Sie mehr über die alternierende Obhut und ihre grundlegenden Prinzipien erfahren möchten, empfehle ich Ihnen, hier meinen Blogbeitrag zu diesem Thema zu lesen.

Alexandra Bär - Rechtsanwältin
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